Terminabsage beim Arzt – Kostenfrage?

Der Patient hat nach Wochen des Zuwartens einen begehrten Termin beim Orthopäden bekommen, nimmt diesen nicht wahr und der Orthopäde stellt ihm seine Ausfallkosten in Rechnung – ein probates Vorgehen des Mediziners?
Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Behandler dem Patienten ein Ausfallhonorar in Rechnung stellen kann, ist seit jeher zwischen einzelnen Gerichten strittig.

Die Entscheidung
Anfang dieses Jahres hat nun das Amtsgericht Bremen (Az.: 9 C 566/11) sich erneut der umstrittenen Frage gewidmet und entschieden, dass ein Arzttermin jederzeit abgesagt werden kann, ohne dass dem Patienten hierfür entstandene Kosten in Rechnung gestellt werden dürfen.
In der von dem Amtsgericht Bremen zu entscheidenden Fallkonstellation war der Patient bei Vereinbarung des Termins von der Sprechstundenhilfe darauf hingewiesen worden, dass die Absage des Termins nur bis sieben Tage vor dem Termin kostenfrei möglich sei, wohingegen bei einem kurzfristigen Absagen eine Vergütung zu zahlen sei. Nachdem nun der Patient den Termin knapp vorher abgesagt hatte, wurde ihm von der Behandlerin eine Vergütung in Höhe von 300 € in Rechnung gestellt, deren Zahlung sich der Patient auf dem Klagewege entgegensetzte.
Das Amtsgericht Bremen gab dem Patienten Recht mit der Begründung, dass eine ärztliche Terminabsprache nichts anderes als eine klassische Dienstleistungshandlung sei, der allenfalls organisatorische Bedeutung zukomme, die jedoch keinen rechtsverbindlichen Inhalt aufweise und vergleichbar mit einem Friseurtermin sei.
Das Gericht begründete seine Entscheidung auch damit, dass mangels durchgeführter Behandlung von Seiten der Ärztin dieser kein Gegenleistungsanspruch entstanden sei.

Fazit
Bei der zu entscheidenden Fragestellung gilt es, das Kosteninteresse des Behandlers dem Interesse des Patienten einander gegenüber zu stellen und die jeweiligen Interessen einer Abwägung zu unterziehen, was insoweit Schwierigkeiten bereitet, als es hierbei auf Detailfragen des Einzelfalls ankommt:
So ist nicht jeder Behandler gleichermaßen stark frequentiert und nicht jedem Patienten kann eine willkürliche „Absagemoral“ des Arzttermins unterstellt werden.
Es stellt zunächst einmal zweifelsohne einen markanten Unterschied dar, ob der Patient den Termin aus Verhinderungsgründen absagt oder ob der Termin einfach nicht wahrgenommen wird, ohne den Behandler hiervon in Kenntnis zu setzen. Bei erster Variante besteht auf Behandlerseite zumindest die theoretische Möglichkeit, den Termin anderweitig zu vergeben. Diese Möglichkeit existiert jedoch dann nicht, wenn der Patient - ohne sich zu melden - einfach nicht zum Termin erscheint.
Insbesondere auf Patientenseite sind diverse Faktoren zu berücksichtigen, die erst als einzelne Mosaiksteine zu einem Gesamtbild zusammengesetzt die Inrechnungstellung eines Ausfallhonorars als legitim erscheinen lassen oder eben nicht - einzelfallabhängig unter Zugrundelegung einer Gesamtbetrachtung. Zu berücksichtigen sind hierbei auch insbesondere Grund und Häufigkeit des Absageverhaltens.
Freilich hat auch der Behandler ein nicht unerhebliches Kosteninteresse und Kostenrisiko, denn für ihn sind vergebene Termine ein immenser wirtschaftlicher Faktor seiner Gesamttätigkeit.
Doch der Behandler ist auch Unternehmer und Dienstleister, so dass sich bereits unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten die Frage stellt, inwieweit es sinnvoll ist, dem erkrankten Patienten bei Nichtwahrnehmung des Termins überhaupt ein Ausfallhonorar in Rechnung zu stellen.
Der Patientenbindung förderlich dürfte die Inrechnungstellung jedenfalls nicht sein.

Es hilft nichts, das Recht auf seiner Seite zu haben. Man muss auch mit der Justiz rechnen.

Dieter Hildebrandt